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I+I In der Schweizer Realität haben Digitalbanken keine grosse Bedeutung

Als Blogger sieht man hinter jeder Ecke ein neues Fintech lauern. Zu dem man sich tunlichst informieren sollte und über das man berichten kann. Muss so sein als Finanzblogger, man bekommt ja auch ständig Kooperationsangebote und -aufforderungen zugesandt.

 

Aber halt, ist das nicht einfach eine klassische Blase in der man sich befindet? Ein kurzer Realitätscheck tut not. 

 

Denn über so manche Digitalbank habe ich selber schon berichtet. Mit mal mehr und mal weniger Begeisterung.

 

Da kommt es sehr gelegen, dass es eine Studie gibt, die untersucht, wo wir Schweizer unsere Hauptbankbeziehung unterhalten. Springender Punkt ist der Begriff Hauptbankbeziehung, denn nur für diese interessieren sich Banker wirklich. Alles andere ist Beigemüse.

 

Die Stichprobe wurde im Frühsommer 2020 erstellt und von Prof. Andreas Dietrich et al. ausgewertet und ausgewählte Teilergebnisse auf seinem IFZ Retail Banking Blog nach und nach veröffentlicht.

 

Das Ergebnis ist ernüchternd. Gerade mal 0.4% der Befragten gaben an, eine Digitalbank als Hauptbankbeziehung zu nutzen. Magere 5 Nutzer einer Digitalbank als Hauptbankbeziehung fanden sich unter den 1200 Befragten . Und man kann annehmen (aber leider nicht aus der Studie heraus folgern), dass dies wohl eher junge Nutzer mit noch niedrigem Vermögen und Einkommen sind. Also weitgehend uninteressant für hungrige Banker. Vor Neon und Co. (und ihren Investoren) liegt allemal noch eine lange, lange Durststrecke.

 

Die meisten Schweizer haben immer noch Hauptbankbeziehungen mit den klassischen Verdächtigen, mit Kantonalbanken, der Raiffeisenbank, den beiden Grossbanken und der Postfinance. Diese schmale Auswahl macht mehr als drei Viertel der Hauptbankbeziehungen aus. 

 

Bis sich dieses Bild entscheidend ändert, wird es noch sehr lange dauern. Zumal auch die etablierten Banken im Digitalen dazulernen. Mit Anfängerfehlern zwar, aber langfristig werden diese auch ausgemerzt. Und der finanzielle Schnauf der grossen Player ist ebenfalls nicht zu verachten. Da kann noch so manches Fintech irgendwann einverleibt werden.

 

Dass sich die etablierten Banken immer noch gut schlagen, habe ich erwartet. Dass aber die Digitalbanken ein dermassen schlechtes Bild abgeben, hat mich schon überrascht.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Schweizer Minimalist (Dienstag, 11 Mai 2021 09:21)

    Hallo Dreigroschenblogger

    Spannende Zahlen! Nach meinem empfinden, hätte ich den Nutzungsgrad in der Schweiz auch höher geschätzt. Ich gehöre mit meinen 24 Jahren auch zur jüngeren Generation und nutze beides parallel. In meinem Umfeld sind aber auch alle bei einer Raiffeisenbank/Kantonalbank vertreten.

    Genau heute Mittag lanciert Swissquote mit PostFinance die App "Yuh". Mal sehen was sich hinter diesem Namen verbirgt. Gemäss ersten News sollte die App eine Konkurrenz von Neon, Zak, Revolut etc. werden. Ich bin gespannt!

    Liebe Grüsse
    Schweizer-Minimalist

  • #2

    Rob (Mittwoch, 12 Mai 2021 09:25)

    Hallo Dreigroschenblogger

    Tolle Recherche, danke! In der Tat sind diese Erkentnisse auf den ersten Blick doch ziemlich überraschend. Meines Erachtens hängt dies wohl auch damit zusammen, dass die Neo-Banken oft Leistungen nicht anbieten welche heute jedoch rege genutzt und von einer "Hauptbank" erwartet werden. Beispielsweise eBill, Daueraufträge, TWINT, Einzahlungsmöglichkeit, etc. Die Konsequenz: die Neo-Banken werden als Sidekick genutzt um einige der fancy Funktionen zu nutzen, jedoch nicht als Hauptbankbeziehung. Da habe die Schweizer Neo-Banken definitiv noch Luft nach oben und im Vergleich mit ausländischen Konkurrenten noch viel Aufholbedarf.

    Einen weiteren Schritt in diese Richtung haben gestern Swissquote und Postinance mit ihrem Joint Venture "Yuh" gemacht. Ein interessantes Angebot mit einigen bei Schweizer Neo-Banken bisher noch nicht gesehenen Features. Diesbezüglich innovativ ist die Kombination aus "klassischen" Bankdienstleistungen (wie Zahlungen und Debitkarte von Mastercard) und der Möglichkeit in Anlageprodukte (Aktien, ETF's) und Kryptowährungen zu investieren. Zu beachten ist ausserdem, dass bei der kostenlosen Variante weder Kontoführungs- noch Depotgebühren anfallen. Dies dürfte nicht nur das jüngere Publikum ansprechen, sondern auch ältere Semester welche sich langsam ans Anlegen in Aktien, ETF's und Kryptos heranwagen und vielleicht (noch) nicht ein Konto bei teureren Brokern eröffnen wollen. Auch die Multiwährungsfunktion zielt klar darauf ab, ausländischen Konkurrenten wie z.B. Revolut die Stirn zu bieten (auch wenn diese immer noch günstiger sind als Yuh). Das Angebot ist interessant, aber hat sicherlich noch Verbesserungspotential, wie zum Beispiel bei Mobile Payments. TWINT, ApplePay, GooglePay etc. ist zurzeit noch nicht im Angebot enthalten, laut Yuh jedoch vorgesehen.
    Mir gefällt der All-in-One Ansatz, da es dies in der Schweiz in dieser Form noch nicht gibt, und es den Smartphone-Bankenmarkt aufmischen dürfte. Auch die innovative Idee von der eigenen Kryptowährung "Swissqoin", welche vor allem für das eigene Prämienprogramm (Frendschaftswerbung etc.) genutzt wird, ist bisher einzigartig. Ob es Yuh zu einem soliden Kandidaten für eine Hauptbankbeziehung schaffen kann hängt ganz davon ab, was in den nächsten Wochen und Monaten noch an Leistungen dazu kommt. Das Potential ist aber auf jeden Fall vorhanden. Ich gebe ihnen jedenfalls eine Chance und werde Yuh vorerst mal vor allem für kleinere Krypto- und ETF-Anlagen nutzen. Wer es ausprobieren will kann gerne meinen Referral-Code beim Onboarding benutzen: 550me6
    Als Zückerli gibts dafür 500 Swissqoins für beide, was zurzeit CHF 5 entspricht :-)

    Beste Grüsse und see Yuh!

    Rob

  • #3

    Michael (Mittwoch, 13 Oktober 2021 10:04)

    Ja, aber das war auch nicht anders zu erwarten. Europa hinkt digital der Welt hinterher und ist eher konservativ. Digitalbanken sind für die über 60-Jährigen zu modern. Danke für den tollen Artikel zu diesem modernen und aktuellen Thema.