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Krankenversicherung in der Schweiz

Geschichte & Grundlagen

Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung oder kurz Krankenversicherungsgesetz (KVG) ist in einer Volksabstimmung 1994 mit knappem Ja-Anteil angenommen worden und ist 1996 in Kraft getreten. Die Grundversicherung ist für alle obligatorisch*, es gilt also eine Versicherungspflicht für jede Person, die sich rechtmässig für längere Zeit in der Schweiz aufhält. Auf der anderen Seite haben die ca. 50 miteinander im Wettbewerb stehenden Krankenkassen eine Aufnahmepflicht in die Grundversicherung, ohne Vorbedingungen oder medizinische Prüfungen.

Der Katalog an Leistungen in der Grundversicherung ist umfangreich, einheitlich und für alle Kassen gleich. Die Qualität der Gesundheitsversorgung ist schon damit in der Schweiz vergleichsweise hoch. Nicht enthalten ist der Bereich Zahnmedizin. Der selbst zu tragende Anteil bei Behandlungskosten/Medikamenten ist vergleichsweise hoch. Versichert wird jede Person einzeln, unabhängig von Erwerbstätigkeit, also auch Kinder (Kopfprämie).

Private Zusatzversicherungen und Spezialangebote ergänzen die Grundversicherung, sie ersetzen diese aber nicht, im Unterschied z.B. zu Deutschland. Für private Zusatzversicherungen gibt es keine Aufnahmepflicht der Kassen, auf der anderen Seite muss man auch keine Zusatzversicherung abschliessen. Typische Modelle der Zusatzversicherungen werden oft mit „Privat“ oder „Halbprivat“ bezeichnet und umfassen z.B. mehr Komfort im Ein- oder Zweibettzimmer und Zugang zu Chefarztbehandlung etc. Spezialangebote für Komplementärmedizin, Zahnmedizin, Transport & Rettung, Rechtsschutz etc. gibt es wie Sand am Meer. Die reine Grundversicherung wird im Spital auch als „Allgemeine Abteilung“ bezeichnet.

 

Gestaltungsmöglichkeiten in der Krankenversicherung

Die Grundversicherung ist ein Muss, sie ist obligatorisch. Dennoch kann man hier mehr oder weniger Geld ausgeben. Man spart einiges über die Jahre, wenn man strikt auf die Kosten achtet. Es gibt eine Reihe von Stellschrauben, an denen man drehen kann…

 

Auswahl der Kasse - Je nach Kasse, Geschlecht und Region ist die monatliche Prämie unterschiedlich. Eine Hilfe bei der Auswahl des Versicherers bieten Online-Vergleichsportale wie Comparis oder swupp.ch und viele weitere Portale (nach Krankenkassenvergleich suchen). Beachtenswert ist neben dem Preis auch die Servicequalität der Kassen. Die medizinischen Leistungen sind aber immer gleich! Vorher sind noch folgende Punkte zu überlegen…

 

Franchise & Selbstbehalt - Als Franchise wird die Selbstbeteiligung (pro Jahr) bezeichnet, die man als Versicherter auf jeden Fall und komplett selbst tragen muss. Erst wenn die jährlichen Behandlungskosten die gewählte Franchise übersteigen, kann man die Versicherung in Anspruch nehmen. Minimal beträgt die Franchise 300 Franken. Wählbar sind auch höhere Franchisen bis zu maximal 2500 Franken. Je höher die Franchise, desto geringer ist im Gegenzug die monatliche Prämie. Es ist klar - nur wer eine eiserne Gesundheit hat und keine oder kaum Behandlungen erwartet, der kann die höchste Franchise wählen und von den deutlich geringeren Prämien profitieren. Übrigens ist die Franchise derzeit jährlich anpassbar. Wer also planbar im nächsten Jahr einen Eingriff hat, kann die Franchise dann auf das Minimum reduzieren und im Folgejahr wieder erhöhen. Allerdings erwarte ich, dass dies in Zukunft eingeschränkt werden könnte. 
Ist die Franchise ausgeschöpft und zahlt somit die Kasse an den Behandlungskosten mit, so schlägt der Selbstbehalt in Höhe von 10% zu. Von allen Behandlungskosten zahlt man dann ein Zehntel selbst. Der Selbstbehalt ist gedeckelt auf 700 Franken jährlich, bei Kindern 350 Franken. Und bei Spitalaufenthalten zahlt man als Erwachsener 15 Franken pro Tag als Spitalbeitrag. Man sieht, der selbst zu tragende Anteil ist in der Schweiz relativ hoch und die Zahnmedizin oder selbst gekaufte Bagatellmedikamente sind hier noch gar nicht eingeschlossen. Wenigstens sind Mutterschaftsleistungen von Kostenbeteiligungen nicht betroffen.

 

Wahl Grundversicherungsmodell - Spürbare Einsparungen bei den Prämien kann man in der Grundversicherung erhalten, wenn man kleineren Einschränkungen zustimmt. Im Hausarztmodell verzichtet man auf die gesetzliche freie Arztwahl, bestimmt einen federführenden Arzt, der bei Bedarf die Weiterleitung an Spezialisten organisiert. Bei der Telemedizin verpflichtet man sich, vor dem Arztbesuch jeweils telefonisch eine medizinische Hotline zu kontaktieren. Von diesen Modellen gibt es zahlreiche Varianten bei den verschiedenen Kassen, die sich aber nicht allzusehr unterscheiden. In der Regel bietet das Hausarztmodell die höhere Prämieneinsparung.

 

Unfallversicherung - Alle Personen, die mehr als 8 Stunden pro Woche als unselbständige Arbeitnehmer angestellt sind, haben über Ihre Arbeitgeber eine Unfallversicherung, die auch privat wirksam ist und meist die besseren Bedingungen bietet. In dem Fall kann man auf die Unfallversicherung bei der Krankenkasse verzichten und wieder ein paar Franken sparen. Für nichtbeschäftigte Familienmitglieder aber unbedingt die Unfallversicherung einschliessen!

 

Stichtag - Stichtag für Änderungen ist immer der 30. November. Bis dahin muss die alte Versicherung gekündigt sein oder die gewünschte Franchiseanpassung mitgeteilt werden. Obacht bei Änderungen: Massgeblich ist das Leistungsdatum von Behandlungen, nicht das Datum der Rechnungsstellung. Bekommt man die Rechnung einer Behandlung im Dezember erst im neuen Jahr zugesandt, dann bitte an die alte Versicherung weiterleiten. 

 

Zusatzversicherungen - private Spitalzusatzversicherungen sind meist teuer und für bereits kranke Personen praktisch nicht zu bekommen. Sie stehen im Verdacht, dass die Versicherten übermässig therapiert werden und aus ökonomischen Erwägungen möglicherweise zu nicht unbedingt nötigen Eingriffen verleitet werden. Falls einem Leser der Komfortgewinn (Einzelbett etc.) der Spitalzusatzversicherung wichtig wäre, schlage ich alternativ einen Sparplan vor, denn die Hotellerieleistungen lassen sich im Spital ja auch zukaufen. Bleibt man dann erfreulicherweise doch gesund, hat man einen Batzen Geld übrig. Persönlich bin ich der Meinung, dass sowohl der Komfort als auch die Qualität der Therapien in Spitälern der Schweiz schon in der Allgemeinen Abteilung beträchtlich sind. Und es ist zu bedenken, dass der Trend immer mehr zu ambulanten Therapien oder kurzen Aufenthalten im Spital geht. Dann hilft die private Zusatzversicherung wenig und ist doch teuer bezahlt. Für Spezialversicherungen gilt ähnliches: Kann man sich die Komplementärbehandlung nicht vielleicht selbst leisten?

Eine Ausnahme mag ich gelten lassen: Die Zusatzversicherung „ganze Schweiz“ sorgt dafür, dass Spitalbehandlungen nicht nur im Wohnkanton bezahlt werden. Wohnt man in einem kleinen und preisgünstigen Kanton, kann man sich damit auch im teureren Zürich oder Genf behandeln lassen. Diese Versicherung ist relativ günstig. Zürcher können sich aber selbst diese Ausgaben sparen.

 

Fazit

Krankenversicherung braucht jeder und zahlt jeder. Hier lässt sich eine Menge Geld sparen und das auf Dauer! Stellschrauben sind die Kassenwahl, die gewählte Franchise und das Versicherungsmodell, die Hinzunahme von Zusatzversicherungen und nicht zuletzt eine jährliche, vorzugsweise im Herbst stattfindende Überprüfung und Anpassung mithilfe von Vergleichsportalen. Viel Erfolg!

 

 

* obligatorisch wird als Begriff in der Schweiz gerne verwendet, Synonyme dazu sind verbindlich/durch Gesetz vorgeschrieben. Als Gegenteil dazu verwendet man auch gerne den Begriff fakultativ, wenn man eine freie Wahl hat.

 

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