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Wie geht es weiter mit der Credit Suisse?

Zu Zeiten des CEO Tidjane Cheick Thiam habe ich die Schweizer Bank Credit Suisse kaum beachtet. Die selbstverliebten Auftritte des CEO auf internationalen Bühnen und das grossspurige Gehabe zeigten mir nicht das Bild einer soliden Bank, wie ich sie mir wünsche.

 

Eine längere Epoche war die Zeit von Thiam aber sowieso nicht. Das Genick gebrochen hat ihm bald schon eine undurchsichtige Beschattungsaffäre mit angeschlossenem bizarren Nachbarschaftsstreit.

Eine Dekadenz der Macht, wie sie im Buche steht.

 

Ganz anders bei dem der Schweiz verbundenen und anscheinend bestens geerdeten Nachfolger Thomas Gottstein. Nach einer adäquaten Einarbeitungszeit hat Gottstein für die CS nun einige gutüberlegte Strategieanpassungen ankündigen lassen. Diese werden leider auch zu einem (wohl notwendigen) Stellenabbau führen. Aber insgesamt glaube ich, ist es der richtige Weg für die Bank, um wieder nach oben zu kommen. Die Kommunikationskultur des neuen CEO bei den teilweise schwierigen Verlautbarungen überzeugte mich jedenfalls. In einem langen Interview für die Aargauer Zeitung legte er nun seine Gründe offen und erklärte dem Leser die Strategieentscheidungen anschaulich. Verlinken kann ich den Artikel leider nicht, aber bei Cash gibt es eine Zusammenfassung.

 

Die beiden wichtigsten Punkte der neuen Strategie sind nun:

  • Die Einverleibung der sowieso schon lange der CS zugehörigen Regionalbank Neue Aargauer Bank NAB. Dieses an und für sich gut aufgestellte Finanzinstitut ist gar nicht mal so klein und regional stark verankert. Aus dem Zusammenschluss werden sich gewichtige Einsparungen ergeben, was man an der geplanten Straffung des Filialnetzes bereits gut erkennen kann. Mancherlei Kunde, der bisher schon wenig mit der Bank verbunden war, wird die NAB möglicherweise noch rechtzeitig verlassen und eine heimelige Raiffeisen oder Kantonalbank aufsuchen. Es wird eine Minderheit sein, denn die Mehrheit ist auch bei der CS unter Gottstein wohl gut aufgehoben. 
  • Die für viele wichtigere Nachricht ist die neue Digitalbankingstrategie, die von der CS in einer Mitteilung angekündigt wurde und von Prof. Andreas Dietrich bereits analysiert wurde. Dietrich bezeichnet sie sogar als „Kampfansage an Smartphonebanken“, wobei die CS schon bisher im digitalen Banking gut aufgestellt sei. Da ein wesentliches Angebot - CSX White - sogar weitestgehend kostenlos sein soll, kann ich dies nur bestätigen. Ich bin selbst NAB Kunde und werde ohne Bauchgrimmen zu Credit Suisse mit CSX White wechseln. Und wenn ich spezielle Wünsche habe, wie z.B. eine etwas schwierigere Hypothekarfinanzierung, ja dann werde ich bei der CS sicherlich einen geneigten Ansprechpartner finden. Welcher NEON- oder Revolutkunde kann das behaupten? Diese können froh sein, eine deutsch sprechenden Hotline zu finden. Ernstzunehmendere Konkurrenz bleibt die Bank Cler mit Zak, die auch einige schicke Filialen vorzuweisen hat. Nicht unmöglich, dass Credit Suisse sie aber schnell abhängt. Und schon jetzt entnehme ich dem Fact Sheet mit Freuden, dass CSX Online und Mobile Banking anbietet.  

Ich nehme an, dass die CS eine entsprechende Marketingkampagne fahren wird, um digital affine Kunden zu gewinnen, respektive zu halten. Das müssen hoffentlich nicht wieder nur die ganz extrem jungen Leute in der Ausbildung sein. So manch gut situierte Familie kann sich nämlich auch eine moderne Bankverbindung vorstellen - dies wäre zumindest meine Empfehlung ans Marketing. Man kann dann durchaus auch schneller lukrative Geschäfte abschliessen als mit 19jährigen.

 

Die Ambitionen der CS gehen aber weiter. Dem Interview mit Gottstein entnehme ich, dass wohlhabende Personen und Family Offices die Situation im restlichen Europa als schon wieder etwas bedenklicher für ihr Vermögen einschätzen. Brexit, Parteien am politischen Rand links wie rechts, steigende Verschuldung der Staaten und zunehmende Steuern und Gebühren sind Faktoren, die das Kapital wie junge Rehe im Wald aufscheuchen. Die Schweiz mag da in Zukunft wieder verstärkt eine Rolle als schützender Hort in Europa spielen. Und den Schweizer Banken vermehrt Gewinne ermöglichen.

 

Um zum Schluss zu kommen - ich überlege mir sogar, Aktien der Credit Suisse zu kaufen. Der Kurs wäre niedrig, die Bilanz relativ stabil, der CEO verspricht eine Politik der steigenden Dividenden und die Aussichten sind nicht schlecht. Warum also nicht? Immerhin empfehlen 26 von 27 Analysten die Aktie, so Gottstein im Interview.

 

 

 

 

 

 

 

Aktualisiert am 14.9.2020 um das Gerücht zur Fusion von UBS und CS.

Kurz nach Veröffentlichung des Artikels zur Credit Suisse erreichte mich aus der Medienwelt (hier AZ) ein Gerücht zur bevorstehenden Fusion von UBS und CS. Das wäre eine Sensation!



PS: Eine einzige Sache gefällt mir nicht: Der Begriff CSX erinnert mich mehr an einen Nervenkampfstoff als an eine coole digitale Bankverbindung. Sorry!

 

 

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