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Trendige Wasserstoffwirtschaft - kommen Knallgasautomobile wirklich in Mode?

Rund um das Hypethema Wasserstoff hat sich eine grosse Anhängerschaft entwickelt, die entsprechende Aktien aus diesem Anlageuniversum in absurde Höhen katapultiert, nur gelegentlich von kurzfristigen Tauchern unterbrochen. Für mich sind diese Bewertungen nicht immer nachvollziehbar.

 

Vor kurzem hörte ich den Podcast Klaar Kimming #19 von Magnus Graf von Schlieffen aus Hamburg. Er sprach mir zu diesem Thema aus der Seele:


"Die Herstellung, Lagerung und Nutzung von Wasserstoff ist ein komplexes technisches Thema. Im Rahmen der Analyse haben wir viel über Wasserstoff gelernt – und nicht nur Gutes."

 

Das ist auch meine Meinung. Wasserstoff ist ein in der Industrie zwar eminent wichtiger Grundstoff und wird bereits in grossen Mengen genutzt - immer von versierten Fachkräften in spezialisierten Industrien. Gleichzeitig hat Wasserstoff einige Eigenschaften, die das Handling in der Breite schwierig und sehr gefährlich machen.

 

Wasserstoff durch Elektrolyse

Der Traum der Wasserstoffapologeten: "Überschüssiger" Strom wird zu Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser - Wirkungsgrad 60%. Der Wasserstoff wird bei Bedarf in der Brennstoffzelle wieder zu Strom - nochmals mit 60% Wirkungsgrad. Insgesamt hat man aus 100 kW dann 36 kW gemacht, wenn man weitere unumgängliche Verluste bei der Speicherung vernachlässigt. Und die aufwändige Technik dafür steht die meiste Zeit ungenutzt herum.

 

Explosionsfähige Gemische

Die Einfahrt von wasserstoffgetriebenen Autos ist zurecht in einigen Tiefgaragen verboten. Wasserstoff-Luft-Gemische haben nämlich einen extrem breiten Bereich für explosionsfähige Gemische. Das kennt jeder aus der Schule - Knallgas, gelingt immer 😁

Wer weiss, ob man in Zukunft knallgasgetriebene Autos durch den Gotthard lässt...

 

 

Speicherung im Automobil

Im Fahrzeug muss der Treibstoff irgendwie sicher gespeichert werden. Im Fall von Wasserstoff kommen drei Möglichkeiten in Betracht.

  • Die Dämliche – Speicherung als tiefkalter, verflüssigter Wasserstoff bei -253 °C in teuren, vakuumisolierten Behältern. Es entweicht ständig etwas Gas, weswegen man sein Auto besser nicht in geschlossenen Garagen herumstehen lässt. Die Verflüssigung ist zudem abartig energieintensiv.
  • Die Utopische – Speicherung in speziellen Metallen als Hydrid. Zur Ausgasung muss das Metall dann wieder erhitzt werden. Teuer, schwer und aufwändig und auch noch gar nicht fertig erforscht. Technologisch vermutlich eine Sackgasse. Aber wer weiss, die Fusion soll es ja auch in 25 Jahren geben.
  • Die Gängige – Speicherung in Druckflaschen. Wasserstoff hat volumenbezogen ein Drittel der Energiedichte von Erdgas. Man muss also entweder dreimal soviel Druck aufbauen oder einen entsprechend grösseren Tank benutzen. Das Material für den Tank wird vermutlich etwas teurer werden, da Wasserstoff durch viele gängige Werkstoffe diffundiert. Ich wette, dass es auch eine einträgliche Aufgabe für TÜV und Konsorten sein würde, von Zeit zu Zeit den Tank auf Versprödung zu prüfen, sobald sich wasserstoffgetriebene Antriebe breit durchsetzen. Und bricht mal das Ventil bei einem Unfall ab, hat man vollgetankt gleich noch einen Raketenantrieb (im Video unten ab etwa 1:40 sichtbar).

 

 

An der Stelle höre ich lieber mal auf. Wasserstoff ist definitiv wichtig für die Industrie, die angemessen und sicher mit diesem Gas umgeht. Und diese Firmen stellen möglicherweise auch akzeptable Investitionsziele dar. In Tiefgaragen und Haushalte gehört Wasserstoff aber definitiv nicht. Ebensowenig ist die Umwandlung von Strom in Wasserstoff (Elektrolyse) und zurück in Strom (Brennstoffzelle) ein wirtschaftlich sinnvoller Kreislauf – im Gegenteil, es ist höchst ineffizient und teuer. Diese Bereiche wird die Wasserstoffwirtschaft meiner Meinung nach nicht erobern. Es wird möglicherweise andere Bereiche geben, die in Zukunft Wasserstoff verwenden. Die Eisenverhüttung gegebenenfalls. Aber auch da sind noch hohe Hürden zu nehmen.

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